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Von wegen ein bisschen "Hottehü"

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff „Reittherapie“?

Bei meiner Arbeit als Kursleiter und Therapeut werde ich immer wieder mit den unterschiedlichsten Vorstellungen und Definitionen von „Reittherapie“ konfrontiert.

Auffallend ist die weit verbreitete Annahme, Reittherapie sei entweder primär pädagogisch orientiert, oder therapeutisch.

Aber stimmt das?



BEGRIFFS-WIRRWARR AUF DER KOPPEL

In den letzten Jahren kam es zu einer Zunahme von Bezeichnungen und Angeboten rund um den pädagogischen und therapeutischen Einsatz von Pferden: Da wird von Therapeutischem Reiten gesprochen, von der Hippotherapie, von der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd oder auch von der Equitherapie – um nur ein paar Bezeichnungen zu nennen.


Sie alle sind Spezifizierungen von mehr oder weniger derselben Sache: der „Pferdegestützten Interventionen (PGI).

Die Bezeichnung Pferdegestützte Interventionen (PGI) findet sich seit einigen Jahren in der Literatur als übergeordneter, zentraler Fachbegriff für Maßnahmen, in denen Pferde unterstützend zur Förderung motorischer, kognitiver, psychischer und sozialer Fähigkeiten eingesetzt werden.

Unter diese Definition passt auch der Begriff der Reittherapie, die eine Behandlungsform ist, die Pferde in therapeutischen und pädagogischen Handlungsfeldern einsetzt.


DARF’S NOCH EIN BISSCHEN MEHR VERWIRRUNG SEIN?

Verwirrend kann hier sein, dass der Begriff „Reittherapie“ 2003 durch das gleichnamige Buch (in der Neuauflage „Therapeutisches Reiten“) von Marianne Gäng eingeführt wurde, um zwischen pädagogischer und therapeutischer Arbeit mit dem Pferd zu unterscheiden.

Im theoretischen und praktischen Kontext lässt sich jedoch keine schlüssige Erklärung für die fachliche Trennung von pädagogischer und therapeutischer Arbeit mit dem Pferd feststellen.

Warum das wichtig ist?


WIR BRAUCHEN MEHR STANDARDS UND STANDING.

Behandlungsformen, die als Therapien bezeichnet werden, sind gesamtgesellschaftlich oft mit größerer Wertschätzung verknüpft als pädagogische Betreuungsformen.

Es geht hier also auch um unseren Berufstand und vor allem um verbindliche Standards und darum, dass unsere Kompetenzen von Krankenkassen anerkannt sowie von Ärzten und Therapeuten in die Behandlung von Patienten selbstverständlich integriert werden.


THERAPIE IST DIE HILFESTELLUNG ZU EINER POSITIVEN VERÄNDERUNG.

Dazu noch ein paar Gedanken in Anlehnung an den Psychologen Philipp G. Zimbardo, der schreibt: „Therapie hat etwas mit Hilfeleistung zu tun. Jemand, der ein psychisches oder körperliches Gesundheitsproblem hat, erhält Hilfe von einer Person, die von der Gesellschaft dazu ausersehen ist, bei dieser Art von Problem helfend einzugreifen.

Es gibt unterschiedliche Arten der Therapie für psychische Störungen. Außerdem sind die Therapieziele, der Therapierahmen und die therapeutischen Helfer verschieden.

Trotz aller Unterschiede zwischen den Therapien handelt es sich bei allen aber um Interventionen, die auf das Leben eines Menschen gerichtet sind und die entworfen wurden, um eine Veränderung herbeizuführen“. (Zimbardo, P. G., 1995, S. 657)

Zimbardos Verständnis von Therapie passt damit hervorragend auf die Reittherapie, wie wir sie verstehen. Denn auch hier geht es darum, einen Menschen zu befähigen, die Zügel in die Hand zu nehmen. Nicht nur im symbolischen Sinne, sondern ganz konkret und praktisch.

So begreifen wir am BfR die Reittherapie als eine pferdegestützte Interventionsform (PGI), die Pferde in therapeutischen und pädagogischen Handlungsfeldern einsetzt.


Beispiele für das Ineinandergreifen von Therapie und Pädagogik.

  • Eine Erzieherin fördert pferdegestützt die sensorische Integration und erkennt, wie ihre Arbeit die Seele des Kindes berührt

  • Eine Physiotherapeutin arbeitet mit MS- und Schlaganfallpatienten:innen. Sie sieht nicht nur die motorischen und kognitiven Fortschritte, sondern auch eine sich entwickelnde Zuversicht und eine Zunahme der emotionalen Schwingungsfähigkeit.

  • Eine Heilpädagogin unterstützt mittels der Reittherapie Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen und bemerkt, dass die Klienten ausgeglichener und zufriedener sind.

Wie das alles umgesetzt wird, welche Methoden wir genau anwenden, warum und wie sie wirken, dazu gibt es unendlich viel zu sagen.

Mehr dazu berichte ich Dir in den nächsten Beiträgen.


UND WAS VERSTEHST DU UNTER REITTHERAPIE?

Bei jedem neuen Ausbildungskurs beschäftigen wir uns übrigens zuallererst mit den verschiedenen Vorstellungen, Ideen und auch mit den Zielen der Teilnehmenden. Das ist wichtig. Denn daraus entwickeln wir dann im Laufe der Ausbildung Dein individuell-persönliches Konzept.

Wenn Du mehr über die Ausbildung am BfR erfahren möchtest, wie wir ticken und was Du bei uns lernst, dann schau Dich doch auf unsere Webseite um. Oder ruf mich gerne an!

Gäng, M. (Hrsg) (2016): Therapeutisches Reiten (ehemals Reittherapie). (3.Aufl.) Reinhardt, München, Basel
Zimbardo, P. G. (1995): Psychologie (6. Aufl.). Berlin und Heidelberg: Springer

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